Heimkommen

Verlag: edition moKKa, Wien 2014, 167 Seiten, 18,50 € ISBN 978-3-902693-52-5

„Heimkommen“ erzählt für jeden etwas anderes – da gibt es nicht nur eine Geschichte. Es werden die großen und kleinen Wendepunkte im Leben von Alten und Jungen, Frauen und Männern ausgeleuchtet, die Verknüpfungen aufgezeigt. Viele geraten in den Strudel des Zweiten Weltkriegs. Ihre Leben berühren sich, ohne dass ihnen die Tragweite ihrer Begegnungen bewusst werden kann.

Rezension von Nicole Mahal im Podium Heft Nr. 175/176: „Eva Holzmair erzählt die Geschichten ihrer Protagonist_innen bedächtig und einfühlsam. Die Sprache der Texte, ihr Duktus, ist der jeweiligen Figur, ihrer Zeit und ihrer Geschichte angepasst. So webt die Autorin einen Textteppich aus unterschiedlichen Leben und Stimmen. Ein Buch, dessen Geschichten lange im Gedächtnis bleiben.“

Textprobe aus „Heimkommen“:
Diesmal rücken sie in einem Armeewagen an. Die Männer, aber auch ein paar Frauen, wieseln los. Jeder hat etwas in der Hand, was im Ernstfall als Waffe dienen kann. Die echten Waffen, die Wehrmachts- und Jagdgewehre sind längst bei den Russen oder versteckt, sehr gut versteckt. Nur einer, der Holzer, nimmt sein Gewehr mit, er hat es hervorgeholt, allen Warnungen zum Trotz. Einen mehr verschreckten als mutigen Haufen bilden die Dörfler. Sie sind in der Überzahl. Verdutzt mustern die Russen die kleine Ansammlung, dann marschieren sie los. Einfach aufs nächste Haus zu. Dort wird sich schon etwas finden, es hat sich noch immer etwas gefunden bei diesen Bauern, die so gerne schlau wären. Ausgerechnet zu Holzers Schwester gehen sie, wollen in ihr Haus eindringen. Sie stellt sich in den Weg. Die Dorfleute rücken näher. Ermutigt durch die Unterstützung reißt die Frau einem Russen den gegrabschten Kübel aus der Hand. Ein Gerangel zwischen Frau und Soldat beginnt. Wegen eines verrosteten Kübels! Die Frau reißt am Henkelgriff, der Russe greift zu seinem Revolver. Da legt der Bruder an und drückt ab. Mit ungläubig verdrehten Augen sinkt der Mann zu Boden. Rasch zerren ihn seine Kameraden hoch und starten den Armeewagen. Eine Minute später sind sie weg. Aber sie werden wiederkommen, die Leute wissen es. Der junge Holzer versteckt sich im Wald, in einer verfallenen Hütte, die anderen warten. Nur langsam verrinnen die Minuten, die Stunden. Gegen Abend ist es so weit. Die Russen kehren zurück. Sie suchen den Holzer, den mit der Puschka, doch der Mann ist nicht da. Niemand will ihnen sagen, wo er sich verborgen hält. Wütend drischt ein Soldat Holzers Schwester. Ansonsten passiert nichts. Die Menschen im Dorf atmen auf. In den frühen Morgenstunden werden sie durch Motorengeräusche geweckt. Eine Kolonne bewegt sich auf das Dorf zu. Zwei Armeefahrzeuge und zwei Lastwagen. Die Soldaten treten die Türen der Häuser ein, holen alle Männer aus den Betten, perlustrieren jeden, auch Vater. Die Männer werden mitgenommen. Alle, ohne Ausnahme. Wie sie gerade sind, in Unterhosen, Nachthemden, nackt, so werden sie auf die offenen Lastwägen verladen. Der Holzer ist nicht darunter. Erst wenn der Holzer aufkreuzt, sich stellt, werden die Männer freigelassen. Wenige Tage hält die Gemeinschaft durch, doch bald werden Risse in der Solidaritätsfassade sichtbar. Die Ernte muss eingebracht werden. Jetzt, wo die ersten Männer endlich aus dem Krieg zurück sind, werden sie einem schon wieder genommen, der Holzer soll hervorkriechen aus seinem Loch. Man kann doch nicht alle opfern, nur wegen einem. Wer sein Versteck verraten hat, ist nie geklärt worden, aber dass es verraten wurde, ist gewiss. Aus dem Wald haben sie ihn gezerrt und vor Gericht gestellt. Für die Wunde im Oberschenkel des Besatzungssoldaten fasst der Holzer sieben Jahre Zwangsarbeit in Sibirien aus, und die Männer dürfen wieder nach Hause, auch Vater.

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