Mir träumte, du lägest im Grab

Verlag: edition moKKa, Wien 2012, 192 Seiten, 12,50 €
ISBN 978-3-902693-43-3

Anna Schaller ist Garderobiere an der Opéra Garnier, ein nicht unbedingt prestigeträchtiger Job für die Absolventin der Theaterwissenschaft. Doch wer in Wien als „ganz liab aber patschert“ eingestuft wird, darf keine allzu hohen Ansprüche stellen. Das hat Anna längst begriffen. Deshalb ist sie zufrieden mit einem Leben, in dem sie hinter den Kulissen arbeiten, mit Božica im Bistro der Mère Gustave blödeln und von ihrer Wohnung den Ausblick auf den Cimetière Montmartre genießen darf. Außerdem ist so ein Friedhof ein ideales Jogginggelände. Einige Runden vorbei an verkommenen Grüften, bemoosten Steinen und marmornen Engeln erfrischen ungemein, findet Anna.

Alles paletti? An sich schon, wäre da nicht Bärbl, Annas Schwester, die sich nach Jahren der Funkstille meldet. Sie hat Mann und Kinder verlassen und ist zu einem gewissen Maurice Renan unweit von Paris gezogen. Bärbls Nähe verunsichert Anna. Sie zu treffen, hieße auch, die eigene Vergangenheit aufzuarbeiten. Das ist gefährlich, findet Anna.

Nicht genug damit, wird sie auch noch durch eine Mordserie an der Opéra Garnier aus ihrem Alltagstrott gerissen. Und ihre beste Freundin Božica verschwindet spurlos. Was das alles mit Anna zu tun hat? Nichts, findet Anna, doch das glauben ihr weder die Polizei noch die Mitarbeiter der Pariser Oper.

So beginnt Anna Schaller patschert, aber beherzt, Nachforschungen anzustellen, die sie von einem rätselhaften Clochard auf dem Friedhof Montmartre zur hilfesuchenden Schwester, von einem wortkargen Bildhauer mit höchst eigenwilligen Sujets zu einem dauergestressten Kommissar und von widerspenstigen Balletteusen zurück zum Friedhof und zu Heines Grab führen.

Textprobe aus „Mir träumte, du lägest im Grab“:
Ich muß ziemlich erbärmlich aussehen, wenn ich seinen erschrockenen Blick richtig deute. Daß ich eine pauvre petite bin, laß ich ja noch gelten, aber tragen kommt nicht in Frage. Non, non, laisse moi. Ich komm schon alleine zurecht, männliche Hilfsbereitschaft hat stets einen Haken. Und um Bärbls Männer mach ich sowieso einen Bogen. Jan wird mir für immer eine Lehre sein. Ich bin nur blöd, nicht hilflos. Blöd, weil ich mit diesen Schuhen losgezogen bin, aber stark genug, um das bis zum Auto durchzustehen. Maurice insistiert nicht, nur ganz leicht streift er meinen Oberarm, fragend, ob er nicht doch, und überhaupt … Ichverneine und hinke weiter in Richtung Auto. Maurice eilt voraus, öffnet die Tür an der Beifahrerseite und läßt mich einsteigen. Er kramt im Handschuhfach nach einem Pflaster für meine blutende rechte Ferse. Heraus fallen Zettel, Papiertaschentücher, die Betriebsanleitung und ein Foto von Jelena. Daß es Jelena, beziehungsweise Maryse, ist, erkenne ich nicht gleich, denn das Bild zeigt die tote Jelena, die schrecklich zugerichtete, unnatürlich gekrümmt daliegende Leiche einer Ballerina. Völlig ruhig, so als wäre nichts geschehen, räumt Maurice die runtergefallenen Sachen wieder ein, auch Jelena. Er sagt kein Wort, schließt das Handschuhfach und geht zum Kofferraum, wo er seine Suche fortsetzt. Ich öffne das Fach erneut und hole Jelena hervor. Mir ist es egal, ob Maurice das sieht. Ich lege das Foto auch nicht zurück, als er mit einer Mullbinde bewaffnet vor mir steht. Sorgsam deponiert er die Binde auf dem Armaturenbrett, umfaßt mit seinen Bildhauerpratzen meine Hand und das Bild und sagt mit einer seltsam erregten Stimme, ich solle Maryse lassen. Elle est morte. Vorsichtig nimmt er das Foto und steckt es in seine Hemdtasche. Danach legt er mir einen Verband an, und wir fahren zurück.

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